SCHUTZGEBIET LOCHHAUSER SANDBERG
Der Lochhauser Sandberg liegt im Gewerbegebiet von Gröbenzell. Das Bild vom Mai 2015 zeigt die Grenze zwischen ungestörten Almkalkflächen (links) und der Abbaugrube (rechts).
Lage, Standortökologie und Entwicklung
Das Ausgangsgestein am Lochhauser Sandberg ist Almkalk, der nach der Eiszeit durch Kalkausfällung aus carbonatreichem Quellwasser entstand (Jerz 1986). Almkalk hat eine gelblich-weiße Farbe und eine feinkörnig-lockere Konsistenz. Er ist in den Anmoor- und Niedermoorgebieten der nördlichen Münchner Schotterebene häufiger anzutreffen, wo die Almkalk-Ausfällungen auch wegen der Sackung des Niedermoortorfs ihre Umgebung oft um einige Meter überragen (Jerz & Grottentaler 1986). Dies erklärt auch die Namensgebung „Sandberg“. Wie an den anderen Lagerstätten auch wurde am Lochhauser Sandberg der Almkalk abgebaut und als Baustoff und Düngemittel genutzt (Braun 1974). Wegen mangelnder Rentabilität wurde der Abbau allerdings schon vor dem zweiten Weltkrieg wieder eingestellt. 1943 wurde der im Gemeindegebiet von Gröbenzell gelegene Lochhauser Sandberg durch die Bayerische Botanische Gesellschaft gekauft.
Aufgrund des Abbaus ist heute nur noch ein Viertel der ursprünglichen Bodenoberfläche erhalten. Dort finden sich terrestrische Böden, die durch einen humus- und carbonatreichen, lehmig-tonigen Ah-Horizont charakterisiert werden und durch einen unterschiedlich mächtigen Übergangshorizont vom Ausgangsgestein Almkalk getrennt sind (Braun 1974, Jerz & Grottenthaler 1986). In den Bereichen, wo Alm abgebaut wurde, finden sich sekundäre, deutlich flachgründigere Bodenauflagen. Die Gruben im Norden und Westen des Naturdenkmals liegen bis zu 2 Meter unter dem ursprünglichen Niveau. Da der Grundwasserflurabstand unter dem Grubenboden im Durchschnitt nur 0,5 bis 1,0 Meter beträgt (Braun 1974), sind diese Bereiche ï€ wie z. B. im regenreichen Sommer 2024 ï€ oft längere Zeit überstaut.
Im Jahr 1970 wurde das 0,36 ha große Areal als flächenhaftes Naturdenkmal unter Schutz gestellt. Wie Braun (1974) eindrucksvoll schildert, war der Lochhauser Sandberg durch die Entwicklung der wachsenden Gemeinde Gröbenzell zuvor jahrzehntelang erheblichen Belastungen ausgesetzt. So wurde die Grube teilweise mit Abfall und Kies verfüllt und auch außerhalb der Grube wurde unreguliert Müll abgelagert. Nach der Schutzgebietsausweisung setzten sich Wolfgang Braun und andere BBG-Mitglieder erfolgreich dafür ein, dass der Müll und belasteter Oberboden abtransportiert und ein Schutzzaun auf der Südseite zur Industriestraße errichtet wurde. Maßnahmen wie Rodung von Holundersträuchern, Entfernung von Brennnesseln und Pflanzung von Schutzhecken zu den Nachbargrundstücken wurde durch Wolfgang Braun und die BBG durchgeführt. 1974 musste ein 180 m² großer Streifen im Norden des Sandbergs zur Erweiterung der Bahnlinie München – Augsburg an die Deutsche Bundesbahn abgegeben werden. Als Ausgleich erhielt die BBG das 3540 m² große Schutzgebiet „Mittlere Kissinger Bahngrube“ südlich von Augsburg.
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Flora und Vegetation
Nach seinen 1968, 1969 und 1971 durchgeführten Vegetationsaufnahmen berichtet Braun (1974), dass sich die angetroffene Vegetation nur unwesentlich von der, die Ruoff (1922) für den Sandberg beschrieben hatte, unterschied. Er folgert daraus, dass die von ihm vorgefundene Artenzusammensetzung zumindest noch in Ansätzen der ursprünglichen Heidevegetation entsprechen könnte. Braun gliedert die Vegetation des Lochhauser Sandbergs in folgende drei pflanzensoziologische Formationen:
a) Frühlingsenzian-Trespenrasen (Gentiano-Brometum): Sie war im Wesentlichen auf die noch ungestörten Almkalkböden des Sandberges beschränkt und enthielt neben einer Reihe kennzeichnender Arten der Mesobromion-Kalkmagerrasen wie die Orchideen Fliegen-Ragwurz (Ophrys insectifera), Helm-Knabenkraut (Orchis militaris), und Brand-Knabenkraut (Neotinea ustulata) auch alpine und präalpine Florenelemente wie Brillen-Schötchen (Biscutella laevigata subsp. laevigata), Ochsenauge (Buphthalmum salicifolium), Bunt-Reitgras (Calamagrostis varia) und Frühlings-Enzian (Gentiana verna). Darüber hinaus fanden sich Arten der Schneeheide-Kiefernwälder wie Alpen-Bärentraube (Arctostaphylos uva-ursi), Grauer Löwenzahn (Leontodon incanus) und Geschnäbeltes Leinblatt (Thesium rostratum) sowie Indikatoren für Wechselfeuchtigkeit wie Blaues Pfeifengras (Molinia caerulea), Kriechende Weide (Salix repens), Gewöhnlicher Teufelsabbiss (Succisa pratensis) und die stark gefährdete Labkraut-Wiesenraute (Thalictrum simplex subsp. galioides).
b) Knollendistel-Pfeifengraswiesen (Cirsio-Molinietum): Im Bereich der Almgrube und an deren Rändern fanden sich neben dominanten Gräsern wie Schilf (Phragmites australis), Rohr-Schwingel (Festuca arundinacea) und Pfeifengras (Molinia caerulea) auch die namengebende Knollen-Distel (Cirsium tuberosum). Die floristischen Seltenheiten Sumpf-Gladiole (Gladiolus palustris) und die Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica) wurden 1973 gepflanzt und waren auch 2024 noch zu finden.
c ) Gehölzmantel: Umgeben wurde und wird der zentrale Bereich des Lochhauser Sandbergs von einem Gehölzmantel. Dort findet sich in den trockeneren Teilen eine artenreiche, zum Teil gepflanzte Mischung terrestrischer Gehölze, am Grund der Grube dominieren Arten der Weichholzauen wie Silber-Weide (Salix alba), Purpur-Weide (S. purpurea) und Schwarzwerdende Weide (S. myrsinifolia).
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Vegetationsveränderung und Pflege
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Außer der Gebiets- und Vegetationsbeschreibung von Braun (1974) liegen jüngere Artenlisten aus der Biotopkartierung (Büttner 1993 in Bayerisches Landesamt für Umwelt, o. J.) und aus einer Flächenbegehung von Albrecht (2024, unveröffentlicht) vor. Zudem hat Wolfgang Braun zwischen 1972 und 2007 bei ausgewählten Orchideen und Enzian-Arten Zählungen von Individuen durchgeführt (unveröffentlicht).
Insgesamt wurden am Lochhauser Sandberg bei diesen Erhebungen zwischen 1968 und 2024 32 Arten gefunden, die für Bayern (Klotz et al. 2024) und / oder für Deutschland (Metzing et al. 2018) als gefährdet oder stark gefährdet eingestuft sind: Kantiger Lauch (Allium angulosum), Gekielter Lauch (A. carinatum), Berg-Lauch (A. montanum), Alpen-Bärentraube (Arctostaphylos uva-ursi), Färber-Meier (Asperula tinctoria), Brillen-Schötchen (Biscutella laevigata subsp. laevigata), Knäuel-Glockenblume (Campanula glomerata), Heide-Segge (Carex ericetorum), Knollige Kratzdistel (Cirsium tuberosum), Sumpf-Stendelwurz (Epipactis palustris), Kleines Mädesüß (Filipendula vulgaris), Gold-Aster (Galatella linosyris), Frühlings-Enzian (Gentiana verna), Deutscher Enzian (Gentianella germanica), Sumpf-Gladiole (Gladiolus palustris), Gewöhnliche Kugelblume (Globularia bisnagarica), Mücken-Händelwurz (Gymnadenia conopsea), Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica), Grauer Löwenzahn (Leontodon incanus), Brand-Knabenkraut (Neotinea ustulata), Insekten-Ragwurz (Ophrys insectifera), Helm-Knabenkraut (Orchis militaris), Blutrote Sommerwurz (Orobanche gracilis), Sumpf-Herzblatt (Parnassia palustris), Kugelige Teufelskralle (Phyteuma orbiculare), Gewöhnliches Fettkraut (Pinguicula vulgaris), Aurikel (Primula auricula), Großer Klappertopf (Rhinanthus serotinus), Kriechende Weide (Salix repens), Labkraut-Wiesenraute (Thalictrum simplex subsp. galioides), Geschnäbeltes Leinblatt (Thesium rostratum) und Gewöhnliche Simsenlilie (Tofieldia calyculata). Weitere 24 Arten stehen auf den Vorwarnlisten.
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Entwicklung einzelner Zielarten: Von der Insekten-Ragwurz berichtet Braun 2007 (unveröffentlicht), dass die im Gebiet sehr seltene Art 2006 nach drei Jahren wieder mit einem blühenden Exemplar gesichtet wurde. 2024 wurde diese Art nicht mehr gefunden. Vom Helm-Knabenkraut wurden 2007 153 Exemplare gezählt (mehr als in den 30 Jahren zuvor), 2024 waren es sogar 226 Pflanzen. Bei der Mücken-Händelwurz zählte Braun 2006 noch 340 Exemplare, 2024 waren es nur 77. Die Sumpf-Stendelwurz wurde 2006 mit 12 Exemplaren registriert, 2024 war die Art noch vorhanden, wurde aber nicht ausgezählt. Das Brand-Knabenkraut wurden von Braun zum letzten Mal 1999 mit 5 Exemplaren beobachtet, 2024 wurde noch eine blühende Pflanze gefunden. Auch der Deutsche Enzian wurde 2006 und 2024 nachgewiesen. Die letzte Beobachtung eines Exemplars vom Frühlings-Enzian stammt von Wolfgang Braun aus dem Jahr 1999. Der Clusius-Enzian war Ende der 1970-er Jahre noch mit mehr als 30 Exemplaren dokumentiert worden, zwischen 1995 und 2007 wurde die Art nur noch einmal mit zwei Exemplaren belegt und 2024 wurde sie gar nicht mehr gefunden. Erfreulich ist, dass 2024 zwei gefährdete Arten neu nachgewiesen werden konnten: Beim Kantigen Lauch kamen mehrere Exemplare zur Fruchtreife. Die Art wurde für den Sandberg noch nicht beschreiben und ist auch im ganzen TK 7834 noch nicht dokumentiert. Auch die Blutrote Sommerwurz konnte für den Lochhauser Sandberg als Neufund verbucht werden. Für diese Art sind in der Artenschutzkartierung bereits mehrere Wuchsorte in der Umgebung erfasst. Die beiden stark gefährdeten Arten Labkraut- Wiesenraute und die Alpen-Bärentraube konnten 2024 mit mehreren Pflanzen bzw. in einem größeren Klon bestätigt werden. Eine präzise Zählung einzelner Zielarten war 2024 wegen der niederschlagsbedingt sehr üppigen Vegetationsentwicklung und wegen teilweisem Flächenüberstau nur teilweise möglich.
Alpen-Bärentraube, Brand-Knabenkraut, Helm-Knabenkraut und Labkraut- Wiesenraute zählen zu den floristischen Besonderheiten am Lochhauser Sandberg.
Der neu gefundene Gekielte Lauch, hier mit Sechsfleck-Widderchen.
Hohe Niederschläge führten im Sommer 2024 zu einer üppigen Vegetationsentwicklung.
Jeden Oktober treffen sich Mitglieder von BBG und LBV zum Pflegeeinsatz.
Seit 1974 erfolgt die Pflege des Lochhauser Sandbergs durch jährliche Streumahd im Herbst. Die Mahd wird seitdem vom Bauhof der Gemeinde Gröbenzell durchgeführt, das Zusammenrechen der Streu geschieht seit den 1980er Jahren durch Mitglieder des Landesbunds für Vogelschutz (LBV) und der BBG. Das Mähgut aus den floristisch hochwertigsten Bereichen wird zur Begründung von Biotopen im Dachauer Moos abtransportiert, das Mähgut der anderen Bereiche wird über die Gemeinde Gröbenzell entsorgt.
Der Lochhauser Sandberg ist das letzte Vorkommen der früheren Almkalk-Vegetation in der Münchner Schotterebene und auch heute lässt sich die von Braun (1974) beschriebene, naturschutzfachlich hochwertige Vegetationsdecke noch gut nachvollziehen. Für die Zukunft bedenklich stimmt, dass sich im extrem nassen Sommer 2024 ein sehr dichter Bestand von Obergräsern und Gehölzen entwickelte. Es ist abzusehen, dass diese Situation über mehrere Jahre hinweg vor allem im Bereich mit den besonders artenreichen Magerrasen zu einem Verlust an Zielarten führen kann. Deshalb soll in den nächsten Jahren geprüft werden, wie sich die Vegetation unter „normalen“ Niederschlagsverhältnissen entwickelt und wie die Entwicklungsbedingungen für die Zielarten dann vor allem auch im Bereich der ungestörten Bodenauflagen aussehen. Gegebenenfalls müsste man die konkurrenzkräftigeren Arten gezielt reduzieren und über eine frühere und intensivere Pflege nachdenken.