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Mittlere KISSINGER BAHNGRUBEN

Mittlere Kissinger Bahngrube Ende Juli 2024

Lage, Standortökologie und Entwicklung des Schutzgebiets

 

Die Kissinger Bahngruben liegen auf der westlichen Seite der Bahnlinie München – Augsburg zwischen Mering und Kissing. In diesem Gebiet wurde nach der Eiszeit Flussschotter aus carbonatreichem, sandigem Kies abgelagert und von einer 1 bis 3 dm mächtigen Flußmergeldecke überlagert. Unter ungestörten Bedingungen entstanden daraus flachgründige Pararendzinen mit einem Ah- und AhCv-Profil aus humosem, schwach kiesigem, tonigem Lehm (Grottenthaler 1986). Wie in der Garchinger Heide waren diese Böden bis ins 19. Jahrhundert nicht ackerfähig und sind dementsprechend im Urkataster als Grasheiden kartiert. Sie wurden bis ins 19. Jahrhundert als Allmendeflächen extensiv beweidet, danach ermöglichten neue Methoden der Stall- und Mineraldüngung und die Einbindung von Schmetterlingsblütlern in die Dreifelderwirtschaft zunehmend die Umwandlung dieser Flächen in Ackerland.

 

Zur Kiesentnahme für den Bau der Bahntrasse München – Augsburg entstanden dort im 19. Jahrhundert die drei Kissinger Bahngruben, die bis zu drei Meter tief sind (Hiemeyer 1975). Durch die Entfernung des Oberbodens sind an Grund und Rändern der Gruben kiesig-sandige Rohböden entstanden. Da der langjährige Grundwasserflurabstand nur ca. 3,2 m beträgt (Messpegel St. Afra etwa 1 km südlich der Bahngruben; Gewässerkundlicher Dienst Bayern 2024), herrschen am Fuß der Gruben wechselfeuchte Wachstumsbedingungen.

 

Von den drei Kissinger Bahngruben ist nur die mittlere Grube Eigentum der BBG. Sie wurde 1974 als Ausgleich für eine Flächenabtretung im nördlichen Teil des Lochhauser Sandbergs von der Deutschen Bundesbahn an die BBG übergeben. Als Ausgleichsfläche wurde zunächst nur die rautenförmige mittlere Bahngrube mit einer kleineren, durch einen Damm abgetrennten Nebengrube erworben, die beide zusammen 3540 m² groß sind. Durch Zukauf der nördlich und südlich angrenzenden Ackerflächen wurde dieses ursprüngliche Gebiet 1980 auf insgesamt 7740 m² erweitert. Auf den zugekauften Äckern erfolgte kein Bodenabtrag. Das dortige Artenspektrum lässt vermuten, dass die Flächen mit einer Mischung aus den für Kalkmagerrasen und trockenem Wirtschaftsgrünland typischen Gräsern und aus Kräutern wie Wiesen-Salbei (Salvia pratensis), Sichel-Luzerne (Medicago falcata), Großblütige Braunelle (Prunella grandiflora) und Hornschotenklee (Lotus corniculatus) eingesät wurde, zur Artenwahl und Einsaat liegen keine genauen Informationen vor. 1980 wurden alle drei Kissinger Bahngruben als flächenhaftes Naturdenkmal unter Schutz gestellt.

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Der Aspekt lässt vermuten, dass im hinteren Teil der Grube nur Pfeifengras vorkommt. Neben einigen gefährdeten Arten wächst dort aber auch der Große Wiesenknopf, der dem FFH-geschützten Wiesenknopf-Ameisenbläuling als Lebensgrundlage dient.

Vegetation, Vegetationsveränderungen und Pflege

 

Da vor allem im Bereich der Gruben seltene Arten vorkommen, standen diese Flächen besonders im Interesse floristischer Erhebungen (Hiemeyer 1975, Braun 2005 (unveröffentlichte Notizen), Quinger (Biotopkartierung (2013) in Bayerisches Landesamt für Umwelt, o. J.) und Albrecht 2024 (unveröffentlicht). Von der südlichen Mähwiese existieren weitere Daten von Quinger (in Bayerisches Landesamt für Umwelt, o. J.), zudem gibt es für die nördliche und südliche Mähwiese unveröffentlichte Artenlisten vom Landschaftspflegeverband Eichach-Friedberg (2021) und von Albrecht (2024).Bei diesen Erhebungen wurden insgesamt 220 Gefäßpflanzenarten auf der BBG-eigenen Fläche registriert. Zur Entwicklung der Artenzusammensetzung schreibt Quinger (in Bayerisches Landesamt für Umwelt, o. J.), dass die Grubenvegetation noch in den 1980er Jahren wesentlich von Kleinseggen-dominierten Kalkmagerrasen mit bestandsprägender Horst-Segge (Carex sempervirens), teilweise auch Erd-Segge (Carex humilis) besiedelt wurde. 2013 waren die Bestände floristisch wesentlich artenärmer geworden, ca. 75% der Grubenfläche seien von Rohr-Pfeifengras (Molinia arundinacea) dominiert und nur noch 25% der Grubenfläche könnten als Kalkmagerrasen angesprochen werden. Als Ursache vermutet Quinger die erst in den Herbstmonaten ausgeübte Mahd, die das Rohr-Pfeifengras auf Kosten der Nieder- und Mittel-Gräser fördert. Verglichen mit dem Zustand der späten 1980-er Jahre sei die Mittlere Bahngrube in floristischer Hinsicht heute deutlich entwertet.

Deutscher Enzian                      Klebriger Lein                            Blutrote Sommerwurz                       Filzige Segge                               Bunter                                                                                                                                                                                                                                    Schachtelhalm

Der rampenartig abgeschobene Streifen am Westrand des BBG-Schutzgebietes bietet günstige Entwicklungsbedingungen für konkurrenz-empfindliche Arten wie den Steppenfenchel und den Berg-Lauch. In dichterer Vegetation gedeiht der Kreuz-Enzian.

Bei den Erhebungen von Albrecht (2024, unveröffentlicht) bestätigte sich dieses Bild nur zum Teil. Tatsächlich waren wertgebende Arten insbesondere aus den Familien der Orchideen und Enziangewächse verschwunden. Trotzdem finden sich in den Bahngruben noch viele seltene Arten. 2024 erstreckte sich der von Rohr-Pfeifengras dominierte Bereich vor allem auf den bahnseitigen Teil der beiden mittleren Bahngruben. Dort wuchsen aber auch zahlreiche Exemplare des Großen Wiesenknopfs (Sanguisorba officinalis), der für den FFH-geschützten und im Gebiet vorkommenden Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Maculinea nausithous) die Existenzgrundlage darstellt. Es erscheint daher sinnvoll, die aktuelle Situation als Lebensgrundlage der FFH-Art als wichtiges Ziel beim Pflegemanagement beizubehalten. In dem größeren Teil der rautenförmigen Bahngrube wurde das Rohr-Pfeifengras in den letzten Jahren deutlich zurückgedrängt und es finden sich durchaus noch eine Reihe der naturschutzfachlich bedeutsamen Zielarten. Besonders günstige Bedingungen für seltene Arten scheinen auch auf dem schmalen Streifen entlang des Fußweges, der bei dem großflächigen Bodenabtrag der ehemaligen Ackerflächen im Westen der Bahngrube teilweise mit entfernt wurde. Hier wachsen auch auf dem Randstreifen zur nördlichen und südlichen Mähwiese seltene Arten. Mit Gekieltem Lauch (Allium carinatum), Berg-Lauch (A. montanum), Brillen-Schötchen (Biscutella laevigata), Knäuel-Glockenblume (Campanula glomerata), Filziger Segge (Carex tomentosa), Knolliger Kratzdistel (Cirsium tuberosum), Schwarzwerdendem und Regensburger Geißklee (Cytisus nigricans und Chamecytisus ratisbonensis), Sumpf-Stendelwurz (Epipactis palustris), Ästigem und Buntem Schachtelhalm (Equisetum ramosissimum, E. variegatum), Kleinem Mädesüß (Filipendula vulgaris), Kreuz-Enzian (Gentiana cruciata), Deutschem Enzian (Gentianella germanica), Sumpf-Gladiole (Gladiolus palustris), Mücken-Händelwurz (Gymnadenia conopsea), Geflecktem Ferkelkraut (Hypochaeris maculata), Klebrigem Lein (Linum viscosum), Spargelerbse (Lotus maritimus syn. Tetragonolobus maritimus), Blutrote und Gelber Sommerwurz (Orobanche gracilis, O. lutea), Kugeliger Teufelskralle (Phyteuma orbiculare), Grauer Skabiose (Scabiosa canescens), Steppenfenchel (Seseli annuum), Labkraut-Weisenraute (Thalictrum simplex subsp. galioides), Mittlerem und Geschnäbeltem Leinblatt (Thesium linophyllon, T. rostratum) und Gewöhnlicher Simsenlilie (Tofieldia calyculata) konnten 2024 noch insgesamt 28 Arten der Roten Listen von Bayern und Deutschland auf den BBG-Fläche Mittlere Kissinger Bahngrube nachgewiesen werden. Zudem wurden auch 41 Arten der Vorwarnliste und Orchideen wie das Große Zweiblatt (Listera ovata) und die Zweiblättrige Waldhyazinthe (Platanthera bifolia) gefunden. Zwar liegen diese Zahlen deutlich unter den 42 von Hiemeyer (1975) erfassten Rote-Liste-Arten, sie zeigen allerdings, dass die Mittlere Bahngrube noch immer eine artenschutzfachlich bedeutsame Vegetation aufweist.

 

Ab 1983 wurde die Pflege der Bahngrube von der Arbeitsgemeinschaft Heimischer Orchideen (AHO) in Zusammenarbeit mit der Ortsgruppe Mering des Bundes Naturschutz organisiert. Inzwischen erfolgt das Pflegemanagement der gesamten Fläche über den Landschaftspflegeverband Aichach-Friedberg. Die nördlich und südlich angrenzenden Flächen werden dabei als Biotoptyp „Artenreiche Flachlandmähwiesen“ zweischürig, d.h. im Sommer und Herbst, gemäht, die Vegetation der Mittleren Bahngrube wird nur im Herbst zurückgeschnitten. Um den Lebensraum der Magerrasen zu erweitern, soll bei zukünftigen Pflegemaßnahmen die Hecke um die Bahngruben eingekürzt und flächig verkleinert werden. Zudem wäre zu prüfen, ob sich nicht durch gezielte, an die Ansprüche der einzelnen Arten angepasste Mahd im Bereich der ehemaligen Wuchsorte von Orchideen- und Enzian-Arten sich diese wieder erholen bzw. wieder etablieren können.

©2025 - Bayerische Botanische Gesellschaft zur Erforschung der heimischen Flora

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