NATURSCHUTZGEBIET GARCHINGER HEIDE
Gedenkstein für Dr. Franz Vollmann, der als Vorsitzender der BBG zwischen 1908 und 1914 im Gemeindegebiet von Eching insgesamt 22,8 ha Kalkmagerrasen angekauft und so entscheidend zur Erhaltung der Garchinger Heide beigetragen hat.
Lage, Standortökologie und Entwicklung
Die Garchinger Heide liegt etwa 10 km nördlich der Stadt München im Naturraum Münchner Schotterebene. Die dortigen Ausgangsgesteine sind karbonatreiche Schotter und Schmelzwassersande (Henningsen & Katzung 2002), aus denen sich nach der letzten Eiszeit flachgründige Pararendzinen als landschaftsbestimmender Bodentyp entwickelt haben. In ungestörtem Zustand sind sie durch einen 15 - 25 cm mächtigen, gut durchwurzelten Ah-Horizont, einen ca. 10 - 20 cm umfassenden AhCv-Übergangsbereich und einen graubraunen, karbonatreichen Cv-Ausgangshorizont aus sandigem Kies gekennzeichnet (Grottenthaler 1986). Durch die relativ flachgründige Bodenauflage ist ihr Wasserspeichervermögen auf 1 m Tiefe gerechnet gering, was bei den Pflanzen bei längerer Trockenheit im Sommer regelmäßig zu Trockenstress führt. Neben der Trockenheit ist die geringe Nährstoffverfügbarkeit ein zweiter Faktor, der hier die konkurrenzschwachen Pflanzen der Kalkmagerrasen begünstigt hat. So ist der für die Ernährung der Pflanzen wichtige Feinbodenanteil gering, und der Kalkschotter enthält von Natur aus kaum pflanzenverfügbares Phosphor und Kalium. Zudem hat auch die jahrhundertelange Entnahme von Biomasse und Nährstoffen durch Mahd und Beweidung ebenfalls zu anhaltenden Nährstoffverlusten geführt (Kiehl et al. 2003).
Bei der Pararendzina der Garchinger Heide geht der humose und gut durchwurzelte Ah-Horizont rasch in das graubraune, stark kiesige Ausgangssubstrat (Cv-Horizont) über. Der geringe Feinbodenanteil dieser flachgründigen Böden bedingt, dass nur relativ geringe Mengen an Nährstoffen sorbiert und wenig pflanzenverfügbares Wasser gebunden werden können. Bei dem carbonatreichen Ausgangsgestein wird das Pflanzenwachstum zudem durch einen Mangel an pflanzenverfügbarem Kalium und Phosphor limitiert
Die Urkatasterkarte von Bayern zeigt, dass große Teile dieses Gebietes im 19. Jahrhundert von ertragsarmen Grasheiden geprägt waren, die in der Regel durch extensive Allmendebeweidung genutzt wurden (Conradi et al. 2017). Mit der Einführung damals neuer Bewirtschaftungsverfahren wie Festmistdüngung, der verbesserte Dreifelderwirtschaft mit stickstoffbindenden Schmetterlingsblütlern und der Entwicklung von Mineraldüngern wurde diese traditionelle Bewirtschaftung mehr und mehr durch intensivere Grünlandnutzung und Ackerbau verdrängt. So gingen ab Mitte des 19. Jahrhundert große Teile der nährstoffarmen und artenreichen Kalkmagerrasen verloren (Wiedemann 2007).
Um einen naturschutzfachlich besonders wertvollen Teil dieser Heidelandschaft im Norden von München zu erhalten, wurden von 1908 bis 1914 unter Vorsitz von Dr. Franz Vollmann 22,8 ha Heidefläche zwischen Dietersheim und Eching von der BBG gekauft (Lippert 1990). Da es den Rechtsstatus Naturschutzgebiet erst seit 1935 gibt, erfolgte die entsprechende Ausweisung erst 1942. Durch weiteren Flächenzukauf ist das Naturschutzgebiet inzwischen auf 26,9 ha gewachsen (Geisel 1989). Da Ackernutzung, Siedlungsentwicklung und Kiesabbau seit dem 19. Jh. auch zu einer großflächigen Zerstörung der über Jahrtausende entwickelten Pararendzina-Böden geführt hat, sind solche ungestörten Böden ein zweites, besonders erhaltungswertes Schutzgut der Garchinger Heide.
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Flora und Vegetation
Florengeographisch tragen Arten aus drei Florenprovinzen entscheidend zur Artenvielfalt der Grasheiden in der Münchner Schotterebene bei. Arten wie Clusius-Enzian (Gentiana clusii), Frühlings-Enzian (G. verna) oder Herzblättrige Kugelblume (Globularia cordifolia) repräsentieren dabei die alpine Vegetation. Beispiele aus kontinentalen Steppengebieten sind Finger-Küchenschelle (Pulsatilla patens), Frühlings-Adonisröschen (Adonis vernalis), Ausdauernder Lein (Linum perenne subsp. perenne) oder Rote Schwarzwurzel (Scorzonera purpurea) (Windolf 1989). Zudem finden sich allgemein in Kalkmagerrasen häufige Florenelemente der submediterranen Vegetation wie Buchsbaumblättrige Kreuzblume (Polygala chamaebuxus), Gelbes Sonnenröschen (Helianthemum nummularium subsp. obscurum), Ästige Graslilie (Anthericum ramosum), Deutscher Backenklee (Lotus germanicus, syn. Dorycnium germanicum) und verschiedene Orchideenarten.
Frühlings-Adonisröschen, Finger-Küchenschelle, Purpur-Schwarzwurzel, Bunte Schwertlilie und Filzige Flockenblume sind Florenelemente der kontinentalen Steppenrasen.
Pflanzensoziologisch lässt sich die Vegetation in zwei Formationen untergliedern. Die dichteren, an Felsen-Zwenke (Brachypodium rupestre) reicheren Bestände der Adonis vernalis-Brachypodium rupestre-Gesellschaft, die die etwas tiefgründigeren Böden besiedeln, und die weniger wüchsigen Bestände des Pulsatillo-Caricetum humilis, welche in den feinerde- und humusärmeren Teilen der Heide zu finden sind (Quinger et al. 1994, Rennwald 2000). Aktuell sind für die Garchinger Heide 54 Gefäßpflanzenarten nachgewiesen, die nach der Roten Liste Bayerns (Klotz et al. 2024) und/oder Deutschlands (Metzing et al. 2018) Gefährdungsstatus haben, Arten der Vorwarnstufe sind dabei nicht mitgerechnet. Die vom Aussterben bedrohten Arten Finger-Küchenschelle (Pulsatilla patens), Bunte Schwertlilie (Iris variegata), der Kelch-Traubenhafer (Danthonia alpina) und die Filzige Flockenblume (Cyanus triumfettii, syn. Centaurea triumfettii) (s. Abb. 2) kommen in Deutschland ausschließlich auf der Garchinger Heide vor. Weitere stark gefährdete Blütenpflanzen sind Frühlings-Adonisröschen (Adonis vernalis), Kleines Knabenkraut (Anacamptis morio, syn. Orchis morio), Kerners Brillenschötchen (Biscutella laevigata subsp. kerneri), Heide-Segge (Carex ericetorum), Rosmarin-Seidelbast (Daphne cneorum), Sumpf-Gladiole (Gladiolus palustris), Geflecktes Ferkelkraut (Hypochaeris maculata), Ausdauernder Lein, Büschel-Miere (Minuartia rubra), Brand-Knabenkraut (Neotinea ustulata), Spinnen-Ragwurz (Ophrys sphegodes), Graue Skabiose (Scabiosa canescens), Rote Schwarzwurzel, Labkraut-Wiesenraute (Thalictrum simplex subsp. galioides), Österreichischer Ehrenpreis (Veronica austriaca) und das Sand-Veilchen (Viola rupestris). Das Rollfeld, ein 80 Jahre alter Oberbodenabtrag, beheimatet zudem eine Reihe an seltenen Vertretern der Bunten Erdflechtengesellschaft wie Bacidia bagliettoana, Toninia sedifolia, Catapyrenium squamulosum und Psora decipiens (Jeschke 2008).
Clusius-Enzian, Rosmarin-Seidelbast und Herzblättrige Kugelblume zeigen eine enge Beziehung zur Flora der Alpen.
Vegetationsveränderung und Pflege
Obwohl die Garchinger Heide seit über 100 Jahren mit dem Ziel des Artenschutzes bewirtschaftet wurde, kam es dort in den letzten Jahrzehnten zu Vegetationsveränderungen. Diese Entwicklung wurde durch Wiederholung von insgesamt 82 Vegetationsaufnahmen aus den Jahren 1984, 1993 und 2003 im Jahr 2018 flächengenau dokumentiert (Bauer & Albrecht 2020, Bauer et al. 2020). Zusätzlich wurden 2017 ganzflächige Individuenzählungen der naturschutzfachlichen Zielarten Frühlings-Adonisröschen und Finger-Küchenschelle aus dem Jahre 1990 wiederholt. Die Ergebnisse zeigen einen deutlichen Wandel der Vegetationsstruktur: So nahm die mittlere Artenzahl der Probeflächen zwischen 1993 und 2018 ab. Unter den statistisch auswertbaren Einzelarten gingen 20 von 1984 bis 2018 zurück (27 % der statistisch auswertbaren Arten) und bei 8 Arten (11 %) kam es zur Zunahme. Zugenommen haben v. a. große Süßgräser wie Felsen-Zwenke (Brachypodium rupestre) oder Aufrechte Trespe (Bromus erectus). Zu Abnahmen kam es dagegen bei konkurrenzschwachen, kleinwüchsigen Arten. Auch die Individuenzahlen von Adonis vernalis und Pulsatilla patens waren 2017 deutlich niedriger als 1990. Dennoch dominieren mit über 95 % der Gesamtdeckung und -artenanzahl immer noch für Kalkmagerrasen charakteristische Sippen. Faktoren, die zu diesen Veränderungen beigetragen haben könnten, sind Stickstoffimmissionen, ein nicht optimales Pflegeregime, die Entnahme von Mähgut für externe Renaturierungsmaßnahmen, ein Rückgang der Bestäuber oder die isolierte Lage der Garchinger Heide. Um den Einfluss des Pflegeregimes in Zukunft genauer zu erfassen, wurden inzwischen Teilflächen mit unterschiedlichen Mahdzeiten und mit bzw. ohne Einsatz eines Striegels (s. Abbildung) zur Entfernung von regenerationshemmenden Moospolstern eingerichtet. Ein neu erstelltes Monitoringprogramm soll es in Zukunft ermöglichen, unerwünschte Vegetationsveränderungen frühzeitig zu erkennen und diese durch entsprechende Änderungen im Management zu korrigieren. Als zweite Maßnahme zum Schutz der typischen Tier- und Pflanzenarten wurde seit 1993 die meisten der an die Garchinger Heide angrenzenden Ackerflächen gekauft oder gepachtet und mit Mäh- und Saatgut aus dem Schutzgebiet renaturiert (Heideflächenverein Münchner Norden, o. J.). Wie in Teilen dieser Flächen durchgeführten Untersuchungen von Hofmann et al. (2020) zeigten, waren diese Renaturierungsmaßnahmen sehr erfolgreich. Allein auf den flächenmäßig kleinen Untersuchungsparzellen wurde eine Etablierung von 89 kalkmagerrasentypischen Arten dokumentiert und auf den gesamten Renaturierungsflächen wurden inzwischen 26 Rote Liste-Arten erfolgreich nachgewiesen.
Gehölzrückschnitt sowie differenziertes Mähen und Striegeln sind wichtige Elemente des Pflegemanagements auf der Garchinger Heide.